Hummel: Trio Nr.4, G-Dur, op.65

Johann Nepomuk Hummel

* 14. November 1778
† 17. Oktober 1837

Trio Nr.4, G-Dur, op.65

Komponiert:Wien, 1814
Erstausgabe:Artaria, Wien, 1816

Johann Nepomuk Hummel entstammt einer fränkischen Familie, die in Niederösterreich ansässig geworden war. Sein Vater war Musiker und wirkte in verschiedenen Stellungen an Theatern in Wien und Preßburg. 1785 kam die Familie nach Wien, wo Mozart auf den Knaben aufmerksam wurde und ihn zwei Jahre lang unterrichtete; zeitweise soll Hummel auch in Mozarts Haushalt gewohnt haben. Mit 9 Jahren debütierte er erfolgreich in Dresden und trat kurz darauf in Begleitung seines Vaters – ganz nach bewährtem Mozartschen Muster – eine ausgedehnte Konzertreise an, die ihn durch Böhmen, Norddeutschland, Dänemark und Schottland nach London führte, wo Haydn sich seiner annahm. Die Wirren der Französischen Revolution verhinderten die geplante Weiterreise nach Frankreich und Spanien. 1793 kehrte er nach Wien zurück, wo er – wie Beethoven – bei Albrechtsberger, Salieri und Haydn studierte. Auf dessen Empfehlung hin konnte er schließlich 1804 die Leitung der Fürst Esterhazyschen Kapelle in Eisenstadt übernehmen; aus dieser Stelle wurde er 1811 wegen allzu häufiger Vernachlässigung seines Dienstes entlassen. Nach Wien zurückgekehrt wirkte er hier als Musiklehrer und heiratete 1813 die Sängerin Elisabeth Röckel, der Schwester von Beethovens Freund (und erstem Florestan) Joseph August Röckel. Im Jahre 1816 folgte er schließlich einer Berufung nach Stuttgart, das er schon nach zwei für ihn recht unerquicklichen Jahren wieder verließ, um in Weimar die Stelle eines Großherzoglichen Kapellmeisters zu übernehmen, die er dann bis zu seinem Tode bekleiden sollte.

Als Pianist und Dirigent war Hummel ebenso wie als Komponist eine der repräsentativsten Persönlichkeiten des Vormärz. Zusammen mit Ignaz Moscheles gilt er als der letzte bedeutende Vertreter der von Mozart ausgehenden Wiener Schule des Klavierspiels. Seine Konzertreisen führten ihn regelmäßig in alle europäischen Musikzentren zwischen St. Petersburg und London. Den größeren Teil des XIX. Jahrhunderts hindurch gehörten seine Werke zum zentralen Bestandteil des Klavier- und Kammermusikrepertoires, wie sich auch an den häufigen Neuausgaben seiner Werke in diesem Zeitraum ablesen läßt. Die insgesamt 8 Klaviertrios (unser Werk wäre genau genommen, d.h. unter Einbeziehung der Sonate op.2 Nr.1, eigentlich Nr.5) waren vor allem in den bürgerlichen Musiksalons beliebt.

Das Trio in G-Dur op.65 ist eines der letzten in Wien geschriebenen Werke Hummels. Es ist unter seinen Trios auch das letzte, das unbeirrt und nicht ohne persönlichen Charme am Idiom der Klaviertrios Haydns und Mozarts festhält. Wenn man sich vor Augen hält, daß Beethoven zur gleichen Zeit letzte Hand an sein op.97 legte, wird das Auseinanderklaffen von Zeitstil und Geniestil besonders deutlich. Man könnte sagen, Hummels Trio sei ein Vierteljahrhundert zu spät geschrieben worden. Doch wird man der Eigenart dieses hübschen Werkes nicht wirklich gerecht, wenn man es nur unter dieser Perspektive sehen wollte. „So mußt du sein, dir kannst du nicht entfliehen… Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt / Geprägte Form die lebend sich entwickelt.“ schreibt Goethe („Urworte. Orphisch“, Oktober 1817), zu dem Hummel wenige Jahre später in engere Beziehungen treten sollte. Auf die „Epigonen“ und „Kleinmeister“ der nachklassischen Zeit angwendet, wäre es ungerecht und oberflächlich, nicht auch in den Schranken ihres Soseins die Kraft einer persönlichen Entwicklung zu erkennen und anzuerkennen, wo immer und wie immer sie sich manifestiert.

Der recht knappe Kopfsatz (Allegro con spirito, G-Dur) verarbeitet eine Vielzahl von Ideen auf sehr prägnante und gekonnte Weise; besonders originell ist die Durchführung, die eigentlich nichts weiter als eine sehr komisch inszenierte Rückführung zur Reprise darstellt, charakteristisch und auffällig auch das formale und emotionale Übergewicht des Seitensatzes – auch in diesem durch und durch klassizistischen Idiom ein unverkennbar frühromantischer Zug.

Das Andante grazioso (C-Dur) ist zwar sehr schlicht, aber von etwas ungewöhnlicher Form: es ist eine durch vollständige Eliminierung der Durchführung auf die Bedürfnisse eines lyrischen Intermezzos zurechtgestutzte Sonatenhauptsatzform, deren zwei Themen folgerichtig auch in keiner dialektischen Spannung zueinander stehen. Man hat den Eindruck, einen Doppelvariationensatz zu hören, der nur aus dem Thema und einer einzigen Variation besteht – ein charmantes und ganz persönliches Postscriptum zur Welt des klassischen Andante.

Den Abschluß bildet ein ebenso brillantes wie rasantes Rondo. Vivace assai e scherzando (G-Dur). Es ist in jener lockeren Mischform zwischen Rondo und Sonatensatz geschrieben, die dem Zwang zur allzu häufigen Wiederholung des Ritornells geschickt ausweicht; die drei Themen sind farbig und sicher charakterisiert, an einer Stelle klingt ganz deutlich die so beliebte Janitscharenmusik durch, und auch sonst ist alles getan, um Spieler und Hörer bei guter Laune zu halten

© by Claus-Christian Schuster