Juon: Suite C-Dur op.89

Paul Juon

* 23. Februar 1872
† 21. August 1940

Suite C-Dur op.89

Komponiert:Berlin, 1932
Widmung:Bronislaw von Pozniak (1887-1953)
Erstausgabe:Challier, Berlin, 1932

Auf die äußerste Konzentration von Juons beiden großen Trio-Tondichtungen (Litaniae, op.70, und Legende, op.80) mußte zwangsläufig eine spielerische Entspannung folgen. Und so hat Juon 1932, zwei Jahre nach der Legende und kurz vor seiner “Heimkehr” in die Schweiz, noch ein letztes Werk für Klaviertrio geschrieben, das der großräumigen und dichten Form der vorangegangenen Werke eine lockere Folge pointiert formulierter und mit leichter Hand skizzierter Miniaturen gegenüberstellt. Juon hat den Zyklus dem aus Lemberg stammenden Pianisten Bronislaw von Pozniak (1887-1953) und seinem Trio gewidmet. Man könnte in dieser Suite auch eine Huldigung an den kosmopolitischen Geist der Metropole sehen, die dem Komponisten über fast die ganze Dauer seines schöpferischen Lebensweges Heimat war. So findet sich in diesen fünf Stücken, neben vielen anderen Reminiszenzen, die dem Kulissenfonds eines Varietétheaters entnommen scheinen, auch etwas von dem russischen und skandinavischen Kolorit, das Berlin bis zum Zusammenbruch der Weimarer Republik bewahrte, und zu dem letztlich ja auch die Figur Paul Juons selbst gehörte. Und damit wir auch nicht vergessen, daß dies auch die Stadt von George Grosz war, mischt sich immer wieder der schrille und fiebrige Klang einer Jazzband in die vielstimmige Großstadtmusik.
In Juons eigenhändigem Werkverzeichnis tragen die fünf Sätze der Suite illustrative Titel, die im Druck fehlen – auch das wohl ein Indiz für Juons Zwiespalt im Umgang mit “programmatischen” Etiketten. Das erste Stück (Allegretto, C-Dur), eine diatonisch-impressionistische Miniatur heißt dort schlicht “Melodia”, während das folgende (Giocoso, C-Dur) sehr treffend mit “Marionette” betitelt ist. Der Mittelsatz, (Andantino, d-moll, im Werkverzeichnis “Intermezzo”) evoziert den Ton eines wehmütigen russischen Liedes, dem ein verträumt tänzerisches Trio gegenübergestellt wird. Der vierte Satz (Allegretto, h-moll) ist der längste und kunstvollste der Suite. Er war ursprünglich mit “Odaliske” überschrieben: Daß es sich dabei um eine maurische Szene handelt, wird mit pointiert hispanisierenden Wendungen klargestellt – und daß sich der languid-laszive Grundton des Stückes zwischendurch zu ekstatischer Frenetik steigert, läßt die Unterdrückung des Titels schon aus Jugendschutzgründen als berechtigt erscheinen. Dagegen wäre die vorgesehene Bezeichnung des Schlußstückes (Allegro giusto, C-Dur) als “Barbarentanz” ganz einfach eine Tautologie gewesen: Hier verbindet sich der Nachhall jener heidnischen, “skythischen” Wildheit, die im Rußland der Jahrhundertwende mit solcher Vorliebe beschworen wurde, mit der eine Generation später modischen “Großstadtbarbarei” der “roaring twenties” zu einem effektvoll-ironischen Schlußpunkt unter das ebenso widersprüchliche wie vielschichtige Klaviertrioschaffen Paul Juons.

© by Claus-Christian Schuster