Brahms: Zweite Sonate (F dur) für Pianoforte und Violoncell. Op.99

Johannes Brahms

* 7. Mai 1833
† 3. April 1897

Zweite Sonate (F dur) für Pianoforte und Violoncell. Op.99.

Komponiert:Thun, Sommer 1886
Uraufführung:Wien, Musikverein, Kleiner Saal (Brahms-Saal), 24. November 1886
Johannes Brahms, Klavier
Robert Hausmann (1852-1909), Violoncello
Erstausgabe:Simrock, Berlin, 1877

Aus keinem anderen Sommer seines Lebens brachte Brahms so reiche Ernte heim wie aus jenem des Jahres 1886, dem ersten, den er am Thuner See verbrachte: zwei Violonsonaten, ein Klaviertrio, unsere Cellosonate und der Großteil jener fünfzehn Lieder, die unter den Opusnummern 105 bis 107 zusammengefaßt wurden und die auf vielfache Weise mit den gleichzeitig entstandenen Kammermusikwerken (vor allem mit der zweiten Violinsonate) zusammenhängen, waren in seinem Gepäck, als er nach viermonatiger Sommerfrische Anfang Oktober nach Wien zurückkehrte. Schon wenige Wochen später, am 24. November 1886, fand im Kleinen Musikvereinssaal (heute Brahms-Saal) die öffentliche Uraufführung der neuen Cellosonate statt (Johannes Brahms, Klavier / Robert Hausmann, Violoncello). Das Werk, in dem die „symphonische“ Viersätzigkeit wieder zu ihrem Recht kommt, kann zusammen mit dem dritten Klaviertrio (op.101) als das erste Beispiel des Brahmsschen Spätstils gelten, der in den Klarinettenwerken der letzten Lebensjahre des Meisters zur Vollendung geführt wird: Die Ökonomie und Dichte, mit der Brahms hier zu formulieren und auf suggestive Weise auszusparen weiß, knüpft unmittelbar an die lapidare Meisterschaft der letzten beiden Cellosonaten Beethovens an. In dem auch tonartlich dem rationalen Kontext des musikalischen Ablaufes entrückten Adagio glaubt man, eine späte Metamorphose des bei der Komposition der ersten Cellosonate (op.38) unterdrückten langsamen Satzes aus dem Jahre 1862 sehen zu dürfen. Sollte das wirklich zutreffen, so könnte der unvergleichliche Zauber dieses ganze einundsiebzig Takte langen Juwels uns lehren, daß – ganz im Gegensatz zum weitverbreiteten Glauben an die spontane Kraft der „Eingebung des Augenblicks“ – auch für ein Genie mitunter Geduld und Entsagung die allerbesten Lehrmeister sind.

© by Claus-Christian Schuster