Schumann Clara: Trio g-moll op.17

Clara Schumann

* 13. September 1819
† 20. Mai 1896

Trio g-moll op.17

Komponiert:Dresden, Maxen und Norderney, Mai bis 12. September 1846
Uraufführung:privat: Leipzig, 18. November 1846
Clara Schumann, Klavier
?, Violine
?, Violoncello
Erstausgabe:Breitkopf & Härtel, Leipzig, September 1847

Ende 1844 hatten die Schumanns Leipzig verlassen, das ihnen nach dem Weggang Mendelssohns und nach Roberts vergeblicher Bewerbung um dessen Nachfolge als Chefdirigent des Gewandhausorchesters (der Däne Niels Wilhelm Gade, ein enger Freund Schumanns, hatte die Stelle erhalten) von Tag zu Tag unerträglicher geworden war. Allerdings erwies sich die Wahl Dresdens zum neuen Wohnort als nicht eben glücklich. Während nämlich Leipzig um die Mitte des XIX. Jahrhunderts in mancher Hinsicht als die europäische Musikmetropole gelten durfte, hatte Dresden musikalisch vergleichsweise wenig bis nichts zu bieten. Am zutiefst philiströsen und zopfigen Charakter des Dresdener Musiklebens vermochte auch ein Hofkapellmeister Richard Wagner kaum etwas zu ändern; zudem trug gerade Wagners Gegenwart nicht eben zum Wohlbefinden der Schumanns bei, die beide eine heftige Antipathie zumindest dem Menschen Wagner gegenüber empfanden. Das ständig gespannte Verhältnis zu Claras in Dresden lebendem Vater Friedrich Wieck und die daraus entstehenden andauernden Reibereien taten ein übriges, um dem jungen Ehepaar den Aufenthalt in der sächsischen Hauptstadt zu verleiden. Am meisten Sorgen bereitete Clara allerdings Roberts unverändert schlechter Gesundheitszustand. Das Nervenleiden, das sich in Schwindelanfällen, Übelkeit und Halluzinationen niederschlug, zwang ihn immer wieder zu quälenden Arbeitsunterbrechungen. Schumanns Umgang mit seiner manisch-depressiven Veranlagung konnte seiner jungen Frau auch keine Beruhigung sein: in den erhaltenen Haushaltsbüchern der Schumanns finden sich immer öfter die leitmotivisch wiederkehrenden Posten Cigarren, Kaffee, bairisch Bier, Portwein, Champagner, Punschessenz. Zu all dem ist Clara selbst durch die häufigen Schwangerschaften und die damit verbundene Behinderung ihrer Arbeit – sie ist ja doch zuerst und vor allem anderen eine in ganz Europa gefeierte und begehrte Pianistin – seelisch und körperlich überlastet.

Im Februar 1846 liegt Clara wieder einmal im Wochenbett; es ist ihr viertes in etwas mehr als fünf Ehejahren. Am 8. Februar mittags gebiert sie ihren ersten Sohn, Emil – nachdem sie den ganzen Vormittag noch übend am Klavier verbracht hat. Knapp zwei Wochen später erleidet Robert, der gerade fieberhaft an seiner zweiten Symphonie arbeitet, einen Zusammenbruch. Ein neuerlicher Anlauf zur Beendigung des Werkes endet Mitte Mai noch katastrophaler. Zur Erholung zieht man mit den beiden älteren Töchtern am 25. Mai für einige Wochen nach Maxen. Mit diesem knapp zwanzig Kilometer südlich von Dresden gelegenen Ort, dessen Schloß dem mit den Schumanns befreundeten Major Anton Serre gehört, verbinden sich für Clara und Robert viele schöne Erinnerungen an ihre Brautzeit: das geschichtsträchtige Herrenhaus mit der sorglos-geschwätzigen Majorin als Hausherrin, die lauschige Buschenschenke am Ende des Schlottwitzer Grundes, die romantische Ruine Weesenstein über dem Müglitztal, und schließlich die kleine Dorfkirche, in der sie eigentlich heiraten hatten wollen. Und wirklich scheint von dem Ort eine segensreiche Wirkung auszugehen: Robert scheint ruhiger, die Kinder blühen auf – bald läßt man auch die beiden Jüngsten nachkommen -, und Clara widmet sich mit neuer Kraft ihrem kompositorischen Schaffen. Seit sie, von Roberts „Fugenpassion“ angesteckt, Anfang 1845 mit ernsthaften kontrapunktischen Studien begonnen hat, die ab April unter Roberts Anleitung nach Luigi Cherubinis „Theorie des Contrapunctes und der Fuge“ regelmäßig fortgesetzt wurden, hatte sie einen ihre bisherige Kompositionen weit hinter sich lassenden kompositorischen Ehrgeiz entwickelt: zu Roberts fünfunddreißigsten Geburtstag hatte sie ihren Mann mit Drei Präludien und Fugen op. 16 überrascht, die als ein respektables Seitenstück zu Roberts im selben Jahr entstandenen Vier Fugen op.72 die Verbindung Bachscher Fugenkunst mit den Erfordernissen des romantischen Charkterstückes anstreben. Jetzt, da sie sich dem Ende ihres selbst auferlegten Studiums näherte, will sie mit einer großangelegten Kammermusikkomposition gleichsam ihr kompositorisches „Gesellenstück“ liefern.

Daß sie dafür die Form des Klaviertrios wählt – es soll neben den sieben Jahre später entstandenen Drei Romanzen für Pianoforte und Violine op.22 Claras einzige Auseinandersetzung mit dem Genre der Klavierkammermusik bleiben -, hat wohl viele Gründe: Einer davon mag die Tatsache sein, daß unter den für ein Werk dieser Bedeutung am ehesten in Frage kommenden Gattungen (Klaviersonate, Symphonie, Streichquartett und Klaviertrio) nur das „klassische“ Klaviertrio in Roberts Werkkatalog noch nicht vertreten war (von der Sonderstellung der zu diesem Zeitpunkt noch nicht in ihrer definitiven Form vorliegenden Fantasiestücke op.88 war ja schon weiter oben die Rede). Andererseits darf man in der Komposition gerade eines Klaviertrios durchaus auch die selbstbewußte Annahme einer Herausforderung sehen. Hatte nicht Robert in seinen Rezensionen immer wieder die besonderen Schwierigkeiten der Klaviertriokomposition betont? Da wird etwa „von einem, der sich an ein Trio heranmacht“ zuallererst verlangt „daß er Stimmen führen kann, daß er überhaupt weiß, wie herrliche Werke wir in dieser Gattung besitzen“. „Verwickelte Arbeit, Verbindung von Themen, Engführungen u. dgl.“ müssen in einer Triokomposition ebenso beherrscht werden wie die „Selbständigkeit und lebendige Fortbewegung der einzelnen Stimmen“, die „bedeutungsvollere Behandlung auch der Übergangsstellen“ und die Fähigkeit, „feinere Bezüge zwischen dem Hauptthema und der Verarbeitung der anderen Motive“ herzustellen. Allerdings räumt Schumann angesichts dieser gehäuften Schwierigkeiten und Erfordernisse gleichzeitig ein: „Wer wird von einem jungen Künstler verlangen, daß er gleich Beethovensche B-dur-Trios, Franz Schubertsche in Es schreibe […], glaube man nur, wir möchten dazu beitragen, daß unser Zeitalter nicht zu sehr abstäche gegen das eben vergangene.“

Durch solche und ähnliche Äußerungen ihres Mannes vielleicht in ihrem Ehrgeiz angespornt, hat Clara wahrscheinlich schon in den letzten Tagen vor ihrer Abreise aus Dresden mit der Komposition des G-moll-Trios begonnen. Jetzt, in der beschaulichen und erholsamen Ruhe der Maxener Sommerfrische, wächst das Werk mit jedem Tag. Doch schon bald wird das Idyll überschattet: Robert kann plötzlich den von den Fenstern ihrer Sommerwohnung aus in der Ferne sich bietenden Anblick der Irrenanstalt Sonnenstein nicht mehr ertragen. Von dunklen Vorahnungen gejagt, nehmen die beiden schweren Herzens schon am 28. Juni „Abschied von unseren Lieblingsplätzen“. Während die Kinder mit der Amme direkt nach Dresden zurückkehren, brechen Clara und Robert am darauffolgenden Tag zu einer dreitägigen Wanderung durch das Bielatal auf den Schneeberg und von dort in das Elbetal nach Tetschen (Decin), von wo aus man mit dem Schiff über Schandau heimreist. Als Entschädigung für den vorzeitig beendeten Urlaub beschließt das Paar aber schon am 2. Juli, einen Tag nach der Heimkehr, eine weitere Reise zu unternehmen. Kinder, Amme und unausgepackte Möbel in Dresden zurücklassend, brechen sie am 6. Juli von Dresden auf. In Hamburg, wo man Jenny Lind als Donna Anna bewundern kann, hält man sich eine gute Woche in der nach dem großen Brand von 1842 prächtig wiederaufgebauten Stadt auf . (Vielleicht ist Robert und Clara schon in diesen Tagen der dreizehnjährige Johannes, der die Schumannbegeisterung seiner älteren Freundin Louise Japha damals allerdings überhaupt noch nicht verstehen mochte, über den Weg gelaufen.) Am 15. Juli fahren die beiden mit dem Dampfschiff nach Norderney weiter, wo sie eine helle Wohnung mit Blick auf das Watt beziehen. Obwohl Robert sich hier ein wenig besser fühlt, ist er noch immer unfähig, die Arbeit an der unterbrochenen Symphonie fortzusetzen. Auch Claras Werk ist ins Stocken geraten: Wenige Tage nach ihrer Ankunft versetzt sie die Entdeckung, daß sie schon wieder schwanger ist, in Panik. Durch ausgiebiges Schwimmen im Meer und heiße „medizinische“ Bäder gelingt es ihr, am 26. Juli eine Fehlgeburt herbeizuführen; einen Arzt will sie nicht konsultieren. Schon am nächsten Tag tritt sie bei einem Kurkonzert öffentlich auf – der Rückfall läßt nicht auf sich warten, und Clara muß den Großteil der noch verbleibenden Urlaubswochen im Bett verbringen. Trotzdem setzt sie mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit und Willenskraft das begonnene Werk fort, und als man am 21. August die Heimreise antritt, muß das Trio schon knapp vor der Vollendung stehen. In Dresden, wo sie am Abend des 25. August ankommen, finden sie die Kinder wohlauf – nur Emil ist nach wie vor schwach und hat noch kein einziges Mal gelächelt. Der einundzwanzigjährige Jusstudent Eduard Hanslick, der am 28. August aus Prag zu Besuch kommt, ist vor allem von der kleinen Julie entzückt. „Ich gebe sie Ihnen zur Braut“, scherzt Robert – auch in diesen unscheinbaren Durchgangsnoten erscheint schon ein Brahmsischer Vorausschatten.

Innerhalb weniger Tage schließt Clara jetzt ihr Werk ab: der Schluß trägt das Datum 12. September 1846 – ihr sechster Hochzeitstag und der Vorabend ihres siebenundzwanzigsten Geburtstages.

Wenige Tage später übersiedelt die Familie Schumann aus dem Interimsquartier in der Seegasse in die neue Wohnung, Große Reitbahngasse 20. Dort notiert Clara am 2. Oktober, unmittelbar nach der ersten Durchspielprobe ihres Trios, in ihr Tagebuch:

„Es geht doch nichts über das Vergnügen, etwas selbst komponiert zu haben und dann zu hören. Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und wie ich glaube ist es auch in der Form ziemlich gelungen.“

Bescheidener lassen sich die Vorzüge dieses Werkes wohl nicht beschreiben. Wenn man die Geniewerke Robert Schumanns und Mendelssohns einmal ausklammert, gehört Claras Trio sicher zum Gediegensten, was in diesem Genre zwischen Schubert und Brahms gesagt worden ist. Daran vermögen auch die zunehmend selbstkritischen Äußerungen Claras nichts zu ändern, die das Werk, vor allem nachdem Robert – durch ihr Werk angeregt – sein Opus 63 komponiert hatte, nur noch mit der Elle ihres Mannes messen wollte. Schon die oben zitierte Tagebucheintragung mündet in den resignierenden Nachsatz:

„Natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an der Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt.“

War ihr das eigene Werk schon bei der privaten Uraufführung in der Gegenüberstellung mit Roberts Klavierquartett op.47 „je öfter ich es spiele, je unschuldiger“ erschienen, so urteilt sie im direkten Vergleich mit dem D-moll-Trio vollends ernüchtert: „Mein Trio erhielt ich heute auch fertig gedruckt; das wollte mir aber nicht sonderlich auf des Roberts munden, es klang gar weibisch sentimental.“ (Tagebuch, September 1847)

Die öffentliche Kritik war da wesentlich besserer Meinung. Die Neue Berliner Musikzeitung (1847, S. 384) stellt einleitend fest: „Auf diesem Gebiete begegnen wir selten einer Frau, und noch seltener haben wir so gegründete Ursach, uns dessen zu freuen“, um dann die „Sauberkeit“ der Arbeit, die „von so ruhiger Beherrschung der formellen Kunstmittel“ zeuge, zu rühmen. Der Rezensent empfindet das Werk dabei als „von einer wehmüthigen stillen Trauer umflossen“. Die Neue Zeitschrift für Musik (1848, S. 254), von deren Redaktion sich Robert Schumann schon 1844 zurückgezogen hat, befindet „die innere Arbeit wie die äußere Gestaltung von geschickter und fester Hand, frei von Sucht nach Originalität, von Effecthascherei, von allem Überflüssigen“, während die ebenfalls in Leipzig erscheinende Allgemeine Musikalische Zeitung (1848, Sp.232) sich vor allem über den „Fluß der Perioden“, der der „beste Probirstein des gereiften Talentes“ sei und „jetzt, wo uns soviel Zusammengestückeltes vorkommt, doppelt wohlthätig“ wirke, freut. Dabei wehe „über allem… ein zarter poetischer Duft, der das Ganze zum Kunstwerk weiht.“

Am 23. November 1846 schreibt Robert Schumann an seinen Wiener Freund Joseph Fischhof (1804-1857):

„Eine neue Symphonie bring‘ ich mit, meine Frau ein neues Trio; jene tritt etwas geharnischt auf, dieses ist schon milder. Sie werden beides verstehen.“

Am nächsten Tag brechen Robert und Clara nach Wien auf, wo sie am 28. November eintreffen. Die vier öffentlichen Konzerte, die Clara hier zwischen dem 10. Dezember 1846 und dem 10. Jänner 1847 gibt, sind – vor allem verglichen mit dem triumphalen Wien-Debut der Achtzehnjährigen – künstlerisch eine herbe Enttäuschung und finanziell ein Mißerfolg. Einzig das letzte Konzert, in dem die Freundin Jenny Lind mitwirkt, findet wirkliche Beachtung. Bei der Abschiedsmatinee, die die Schumanns am 15. Jänner 1847 in ihrer (für solche Zwecke eigentlich zu kleinen) Wohnung im Gundelhof (Bauernmarkt) steht neben Liedern und dem A-Dur-Streichquartett (op. 41 Nr.3) ihres Mannes auch Claras Trio auf dem Programm. Joseph Hellmesberger d. Ä. und der aus Prag stammende Cellist Egyd Borzaga sind die Partner der Komponistin bei dieser Wiener Erstaufführung, die durch die Gegenwart Eichendorffs und Grillparzers besondere Weihe erhält.

Hat vielleicht bei der Wahl der Tonart die Erinnerung an zwei ähnlich ambitionierte „Gesellenstücke“ Roberts, seine (unvollendet gebliebene) G-moll-Symphonie (1832/33) und die 1833 begonnene G-moll-Klaviersonate op.22, mitgespielt? Jedenfalls sollten auch in dem über Skizzen nicht hinaus gediehenen Finale der Symphonie, deren Scheitern die dreizehnjährige Clara miterlebt hatte, jene kontrapunktischen Künste demonstriert werden, über die Robert damals noch nicht zur Genüge geboten hatte, und deren Beherrschung Clara nun demonstrieren wollte. Schon zu ihrem ersten ehelichen Weihnachtsfest hatte Clara ihrem Mann einen G-moll-Sonatensatz zugeeignet, den sie im Jänner 1842 zu einer viersätzigen Sonate ergänzte (WoO 18). Es ist zumindest auffallend, daß der Kopfsatz dieser Sonate und die Ecksätze unseres Trios, die alle drei in g-moll stehen, die einzigen „echten“ Sonatensätze im Gesamtwerk Clara Schumanns geblieben sind.

Schon im eröffnenden Allegro moderato des Trios ist die oben zitierte Forderungen Roberts nach den „feineren Bezügen zwischen dem Hauptthema und der Verarbeitung der anderen Motive“ mustergültig erfüllt. In der Tat sind die Kunstkniffe der Motivassoziation und der kontinuierlichen Fortspinnung mit solcher Konsequenz angewandt, daß der in der Physiognomie eines Sonatenhauptsatzes üblicherweise dominierende dialektische Aspekt ganz in den Hintergrund zu treten scheint. Charakteristisch für diese Konzeption ist die Durchdringung aller Formteile mit assoziativ-durchführungsartigen Elementen.

Bescheidener geben sich die Mittelsätze. Vielleicht hat Clara Roberts Rat beherzigt, den man in der (sehr wohlmeindenden) Rezension des Klaviertrios op.2 von Jacob Rosenhain (1813-1894) nachlesen kann:

„…Im Andante ergeht er sich in der Weise, in der wir’s unsern berühmtesten Vorfahren, Mozart und den andern, nun einmal nicht gleich thun können; es scheint dies eine abgeschlossene Art von Musik und man wird auf neue Mittelsätze andern Charakters sinnen müssen.“

Clara hat für die Mittelsätze ihres Trios – Scherzo. Tempo di Menuetto (B-Dur) und Andante (G-Dur) – zwar die in Beethovens op.97 kanonisierte (und von der auch in der Mehrzahl der viersätzigen Kammermusikwerke aufgegriffenen symphonischen Tradition abweichende) Satzreihenfolge verwendet, dabei aber durchaus ihre Grenzen erkannt. Das Scherzo, das bei Beethoven ein besonderer Spielplatz subtiler Extravaganzen ist, gestaltet Clara betont schlicht: Menuett und Trio sind von einfacher Bauart und weisen je ein charakteristisches Detail auf – die „umgekehrte“ (lombardische) Punktierung im Menuett und die fast wienerisch-walzerselige Hemiole im Trio. Daß diese Bescheidung das Resultat schöpferischen Suchens (und nicht etwa Ausdruck naiven Biedersinns) ist, läßt sich an dem im Robert-Schumann-Haus in Zwickau aufbewahrten Autograph nachweisen: dort finden sich deutliche Spuren des schon im Planungsstadium fallengelassenen Versuches, die Form des Satzes substantiell zu erweitern. Ähnliches gilt für das Andante, in dem das Modell der dreiteiligen Liedform überaus triogerecht als schlichtes „Lied ohne Worte“ behandelt wird, und die tiefsinnigen und weiträumigen Andanti der Beethovenschen und Schubertschen Trios nicht einmal von ferne beschworen werden.

Dagegen ist das abschließende Allegretto – Claras letzter Sonatensatz – ein Komplikationen geradezu aufsuchendes und in diesem Sinne überaus selbstbewußtes Stück Musik. Dennoch zeigt auch hier das Autograph, daß die ursprünglich vorgesehenen Lösungen noch „kühner“ waren. Hervorstechendstes Detail sind die zwei aus dem Hauptthema abgeleiteten Fugato-Abschnitte der Durchführung, die Mendelssohn zu besonderem Lob hinrissen. Überhaupt ist in der melancholischen Noblesse und der kontrapunktischen Disziplin dieses Satzes mancher Zug zu finden, der uns noch öfter als die anderen Teile des Werkes an Mendelssohn denken läßt.

Die meisten Kenner von Clara Schumanns kompositorischem Werk, das erst in den letzten beiden Jahrzehnten eine angemessenere Würdigung erfahren hat, stimmen darin überein, daß das Klaviertrio op.17 Claras Meisterwerk sei. Clara selbst hat das Werk noch 1877 gespielt und damit dokumentiert, daß sie – trotz ihrer kritischen Einwände – zu Recht stolz auf ihr Kind war. Am meisten hat sie aber vielleicht gefreut, daß unter den ersten Interpreten des Trios auch der Eine war, an dem vorbei sie es im Sommer 1846 unter ihrem Herzen durch Hamburg getragen haben muß: Johannes Brahms.

© by Claus-Christian Schuster