Beethoven: Allegretto B-Dur WoO.39

Ludwig van Beethoven

* 16. Dezember 1770
† 26. März 1827

Allegretto B-Dur WoO.39

Komponiert:Wien, 26.Juni 1812
Widmung:Maximiliane von Brentano
Uraufführung:nicht dokumentiert
Erstausgabe:Dunst, Frankfurt am Main, 1830

Beethoven schrieb das Allegretto in B-Dur im Juni 1812 für seine “kleine Freundin” Maximiliane von Brentano, die gerade zehnjährige Tochter von Bettinas Bruder Franz, die mit ihren Eltern das “Birkenstocksche Haus” in der Erdbergstraße bewohnte. Bettina von Brentano beschreibt diesen idyllischen Haushalt, in dem Beethoven mit Vorliebe Zuflucht suchte, in einem Brief an Goethe vom 15.Mai 1810:

“… Ein ungeheurer Maiblumenstrauß durchduftet mein kleines Cabinet, wir ist wohl hier im engen kleinen Kämmerchen auf dem alten Thurm wo ich den ganzen Prater übersehe: Bäume und Bäume von majestätischem Ansehen, herrlicher grüner Rasen. Hier wohne ich im Haus des verstorbenen Birkenstock, mitten zwischen zweitausend Kupferstichen, eben so viel Handzeichnungen, so viel hundert alten Aschenkrügen und hetrurischen Lampen, Marmorvasen, antiken Bruchstücken von Händen und Füßen, Gemälden, chinesischen Kleidern, Münzen, Steinsammlungen, Meerinsekten, Ferngläsern, unzählbare Landkarten, Plane alter versunkener Reiche und Städte, kunstreich geschnitzte Stöcke, kostbare Dokumente und endlich das Schwert des Kaisers Karolus. Dies alles umgibt uns in bunter Verwirrung und soll gerade in Ordnung gebracht werden, da ist denn nichts zu berühren und zu verstellen, die Kastanienallee in voller Blüthe und die rauschende Donau die uns hinüberträgt auf ihrem Rücken, da kann man es im Kunstsaal nicht aushalten…”

Man könnte diesen kleinen, verträumten Triosatz für eine musikalische Illustration dieses Briefes nehmen – da ist der Blick in die blühenden Rasumowsky-Gärten, weiter über den Donaukanal den Praterauen zu, und über allem ein mildes Frühsommerlicht. In die Klavierstimme für Maximiliane schrieb Beethoven: “Zur Aufmunterung im Klavierspielen”. Diesem pädagogischen Zwecke dient auch der eigenhändige, sorgfältig ausgearbeitete Fingersatz Beethovens, der sowohl in rein pianistisch-handwerklicher als auch in stilistisch-artikulatorischer Hinsicht bemerkenswert und aufschlußreich ist. Jedenfalls scheint die “Aufmunterung” Erfolg gehabt zu haben – zehn Jahre später kann Beethoven dem jungen Mädchen die Klaviersonate in E-Dur op.109 widmen, ein Werk, das pianistisch nicht eben anspruchslos genannt werden kann.

Czerny hörte von Hofrat Witteschek, daß die kleine Maxe Beethoven einmal, “als er eben sehr erhitzt war, in kindischem Muthwillen eine Flasche eiskaltes Wasser unversehens über den Kopf schüttete. Von da an entwickelte sich sein krankhafter Zustand bis zur völligen Taubheit.” Schon Schindler zweifelte die Richtigkeit dieser Überlieferung an, und wir dürfen wohl annehmen, daß das so reich beschenkte Mädchen an Beethovens Taubheit ganz unschuldig war…

© by Claus-Christian Schuster