Carl Czerny
* 21. Februar 1791
† 15. Juli 1857
Premier Grand Trio pour Piano, Violon et Violoncelle ou Cor… (Trio Nr. 1, Es-Dur) Oeuvre 105.me
| Komponiert: | Wien, vor 1827 | 
| Uraufführung: | nicht dokumentiert | 
| Erstausgabe: | Berlin: Schlesinger, 1827 | 
komponiert: Wien, vor 1827
 Uraufführung: nicht dokumentiert
 Erstausgabe: Schlesinger, Berlin, 1827
 
 Das erste von vier „großen“ und zwei „kleinen“ Klaviertrios in Czernys  endlosem Werkkatalog wurde im Schicksalsjahr 1827 – dem Todesjahr von  Czernys Mutter und Beethovens – vom Berliner Verleger Adolph Martin  Schlesinger, der wenige Jahre zuvor auch Beethovens letzte drei  Klaviersonaten veröffentlicht hatte, mit einem gerüttelt Maß an Lieb-  und Sorglosigkeit zum Druck befördert: Es wird schwer sein, einen so  gründlich von Druck- und Lesefehlern entstellten Text zu finden, und die  genaue Reproduktion des abgedruckten Textes wäre ganz gut geeignet  gewesen, die Zuhörer auf die abstrusesten Kakophonien damals noch in  weiter Ferne liegender Zeiten vorzubereiten. Da das im Archiv der  Gesellschaft der Musikfreunde aufbewahrte Exemplar dieser bis in die  allerjüngste Vergangenheit einzigen Ausgabe des Werkes keinerlei  korrigierende Anmerkungen enthält, darf man getrost annehmen, daß aus  ihm niemals ernsthaft gespielt wurde – ein Schicksal, das bis in die  jüngste Vergangenheit die allermeisten Drucke der Kammermusikwerke  Czernys teilen.
   
 Nicht ganz gewöhnlich – und stilgeschichtlich bezeichnend – ist die  Tatsache, daß der Autor als alternative Besetzungsmöglichkeit genau jene  Instrumentalkombination angibt, die Johannes Brahms einige Jahrzehnte  später für sein Trio op. 40 wählen wird, mit dem Czernys Trioerstling  auch die Tonart (sonst aber kaum etwas) gemeinsam hat. Jedenfalls  unterstreicht dieser Umstand die ideelle Zugehörigkeit des Werkes zur  Welt der Romantik, der ja das Waldhorn geradezu emblematisches  Instrument war. (Der Hornklang begleitet etwa den Leser Eichendorffscher  Prosa fast ständig.)
 
 Der sehr breit angelegte erste Satz des Trios (Allegro) füllt das  sogenannte „klassische Sonatensatzschema“ mit liedhaft erfundenen  Themen und überreichen Figurationen aus. Eine ausgeprägte Vorliebe für  Trugschlüsse und (sub)mediantische Ausweichungen gibt vor allem der  modulatorisch weitschweifigen Durchführung ein durchaus romantisches  Gepräge.
 
 Daran, daß Czerny fast auf den Tag genau ein Jahr älter als Rossini war,  wird man Mittelsatz des Werkes, einem ganz im Belcanto-Stil ersonnenen Adagio  (As-Dur), erinnert. Fiorituren und Cadenzen, cantable Verzierungen und  melodisches Rankenwerk bereichern und schmücken den breiten Fluß des  schlichten Arienthemas, das übrigens mit dem Hauptthema des Kopfsatzes  die auffällige Bevorzugung ansteigender Sext-, Oktav- und  Dezimintervalle gemeinsam hat.
 
 Ganz launig und biedermeierlich verspielt gibt sich hingegen das vielgliedrige Finale (Rondo. Allegro scherzando),  das deutliche Parallelen zu den analogen Sätzen der etwa gleichzeitig  entstandenen Trios von Czernys Kollegen Joseph Mayseder (1789-1863)  erkennen läßt. Der Satz kann als ein überaus typisches Beispiel jenes  Lebens- und Musizierstils gelten, der in Beethovens Todesjahr in Wien  geherrscht haben mag. Die freiere Form des Rondos und die hier gebotene  Möglichkeit, eine Vielzahl von Motivsträngen miteinander zu verweben,  kamen Czerny entgegen: Denn wie sein großes Vorbild Beethoven pflegte er  jeden auch noch so unscheinbaren musikalischen Einfall in ständig  mitgeführte Notizbücher einzutragen; in seinen nachgelassenen  Skizzenbüchern fanden sich rund 10.000 Themen. Auch in diesem Finalsatz  ist spürbar, daß es Czerny an manchem mangelte, was er an Beethoven  bewundert haben mag, ganz sicher aber nicht an brauchbaren und  eingängigen musikalischen Einfällen – und das ist doch mehr, als man von  vielen weit höher geschätzten Komponisten der Vergangenheit und  Gegenwart behaupten kann.
© by Claus-Christian Schuster