Banlaky: 2. Liedfantasie für Bariton, Violine, Cello und Klavier nach Gedichten von Francesco Petrarca (2001)

Akos Banlaky

* 29. Jänner 1966

2. Liedfantasie für Bariton, Violine, Cello und Klavier nach Gedichten von Francesco Petrarca (2001)

Komponiert:Wien, 2001
Uraufführung:Wien, Musikverein (Brahms-Saal), 25. März 2003
Wolfgang Holzmair, Bariton
Altenberg Trio Wien
Claus-Christian Schuster, Klavier
Amiram Ganz, Violine
Martin Hornstein, Violoncello
Erstausgabe:Manuskript

Der 2. Liedfantasie war schon 1997 ein analoges Werk auf Texte von Maria Zampieri für Sopran, Violoncello und Klavier vorangegangen; in der Zwischenzeit ist eine 3. Liedfantasie auf Gedichte von A. A. von Haugwitz und G. R. Weckherlin für Sopran, Flöte und Klavier entstanden. Bei der Wahl der Texte gilt Banlakys ganz besondere und obsessive Züge annehmende Vorliebe der lyrischen Form des Sonetts: Einem ersten abendfüllenden „Sonettenbuch“ nach 28 Gedichten von Petrarca, Michelangelo, Rilke, Nerval, Verlaine und Baudelaire, folgte vor kurzem ein 30 Sonette umfassender zweiter Band auf eigene Texte. Neben seiner kompositorischen Tätigkeit verfolgt Banlaky zur Zeit ein Doktoratsstudium an der Universität Wien und unternimmt regelmäßig ausgedehnte ethnomusikologische Forschungsreisen, die ihn bisher in eine Reihe asiatischer, afrikanischer und südamerikanischer Länder geführt haben, und auf denen er auch seinen ornithologischen Interessen nachgeht. Dieses letzte Detail ruft natürlich die Erinnerung an Olivier Messiaen (1908-1992) wach, dessen Werk in der Tat nicht ohne Einfluß auf die idiomatischen Präferenzen Banlakys war, ein Einfluß, der sich unter anderem in der modalen Organisation des Tonmaterials widerspiegelt. Für die vorliegende 2. Liedfantasie, die sich im übrigen in aller Deutlichkeit zur Bewahrung der Tonalität bekennt, hat Banlaky fünf der dunklen, späten Sonette Petrarcas ausgewählt, die unseres Wissens bisher überhaupt noch nie vertont wurden. Die besondere Faszination, die das Werk Francesco Petrarcas (1304-1374) auf Banlaky ausübt, stellt ihn andererseits in eine ebenso lange wie Respekt gebietende Ahnenreihe von Komponisten, die mit Guillaume Dufay, Orlando di Lasso und Luca Marenzio beginnt und über Schubert und Liszt bis hin zu Schönberg führt.

CCXCII
Gli occhi di ch’io parlai sí caldamente

Gli occhi di ch’io parlai sí caldamente,
e le braccia, e le mani, e i piedi, e ’l viso,
che m’avean sí da me stesso diviso,
e fatto singular da l’altra gente;

le crespe chiome d’òr puro lucente,
e ’l lampeggiar de l’angelico riso
che solean fare in terra un paradiso,
poca polvere son, che nulla sente.

Et io pur vivo; onde mi doglio e sdegno,
rimaso senza ’l lume ch’amai tanto,
in gran fortuna, e ’n disarmato legno.

Or sia qui fine al mio amoroso canto:
secca è la vena de l’usato ingegno,
e la cetera mia rivolta in pianto.


Das Aug, von dem ich sprach so lieb-entzündet,
die Arme, Hände, Füße und die Züge,
die mich von mir getrennt und vom Gefüge
der Menschenwelt, die mich nicht länger bindet.

Das Haar, das sich zu Locken Goldes ründet;
des Lachens Blitz, als ob ein Engel fliege,
als ob der Erd ein Paradies entstiege,
sind eine Handvoll Staub, die nichts empfindet.

Und doch, ich lebe weiter, was mich bitter
erzürnt, entblößt des so geliebten Lichtes
auf steuerlosem Holz im Ungewitter.

Sei dies das Ende schwärmenden Gedichtes;
die Ader ist versiegt und meine Zither
verwandelt in Wehklagen des Verzichtes.

CCXCIV
Soleasi nel mio cor star bella e viva

Soleasi nel mio cor star bella e viva,
com’alta donna in loco umile e basso;
or son fatto io per l’ultimo suo passo,
non pur mortal, ma morto, et ella è diva.

L’alma d’ogni suo ben spogliata e priva,
Amor de la sua luce ignudo e casso
devria de la pietà romper un sasso;
ma non è chi lor duol riconti, o scriva:

ché piangon dentro, ov’ogni orecchia è sorda,
se non la mia, cui tanta doglia ingombra,
ch’altro che sospirar nulla m’avanza.

Veramente siam noi polvere et ombra;
veramente la voglia cieca e ’ngorda;
veramente fallace è la speranza.


Schön und lebendig mir im Herzen wohnt‘ sie
wie eine Herrin in bescheidenem Orte;
nun bin ich hinter ihrer letzten Pforte
tot und gestorben, und als Göttin thront sie.

Die Seele, jedes Guts entschleiert front sie;
des Lichts beraubt ist Amor – Laub verdorrte
vor Mitleid; Felsen brächen; doch der Worte
ertönt nicht eins, und keine Schrift belohnt sie.

Sie weinen innen, wo die Ohren taub sind;
nur meine nicht, den Schmerz so übermäßig
befrachtet, daß nur Seufzer mir entfliegen.

Wahr ist: das Wollen, ach, ist blind-gefräßig.
Wahr ist es, daß wir Schattenspiel und Staub sind.
Wahr ist, daß uns Hoffnungen betrügen.

CCXCIII
S’io avesse pensato che sí care

S’io avesse pensato che sí care
fossin le voci de’ sospir miei in rima,
fatte l’avrei, dal sospirar mio prima,
in numero più spesse, in stil più rare.

Morta colei che mi facea parlare,
e che si stava de’ pensier miei in cima,
non posso, e non ho più sí dolce lima,
rime aspre e fosche far soavi e chiare.

E certo ogni mio studio in quel tempo era
pur di sfogare il doloroso core
in qualche modo, non d’acquistar fama.

Pianger cercai, non già del pianto onore:
or vorrei ben piacer; ma quella altèra,
tacito, stanco, dopo sé mi chiama.


Hätt ich gedacht, daß man so teuer achte
die Töne meiner Seufzer in den Reimen,
so hätte ich ab meines Seufzens Keimen
nach höh’rer Zahl und reicherm Stil getrachtet.

Da jene tot ist, die mich reden machte,
die auf dem Gipfel stand von allen Träumen,
vermag ich wilde Reime nicht zu zäumen
noch aufzuhellen, was in ihnen nachtet.

Und sicher war zu jener Zeit mein Sinnen
allein, daß sich mein Herz der Qual erwehre
auf irgendeine Art: nicht Ruhm zu horten.

Das Weinen sucht ich; nicht vom Weinen Ehre.
Nun möcht ich gern gefallen, doch von hinnen
ruft jene Stolze mich: erschöpft an Worten.

CCCXLIX
E’ mi par d’or in ora udire il messo

E’ mi par d’or in ora udire il messo
che madonna mi mande a sé chiamando:
cosí dentro e di fòr mi vo cangiando,
e sono in molt’anni sí dimesso,

ch’a pena riconosco omai me stesso!
Tutto ’l viver usato ho messo in bando:
sarei contento di sapere il quando,
ma pur devrebbe il tempo esser da presso.

O felice quel dí, che, del terreno
carcere uscendo, lasci rotta e sparta
questa mia grave e frale e mortal gonna,

e da sí folte tenebre mi parta,
volando tanto su nel bel sereno,
ch’i’ veggia, il mio Signore, e la mia donna.


Von Stund zu Stunde wähne ich, vernommen
hätt ich den Boten, den die Herrin sendet.
So sehr ist all mein Innres umgewendet,
in wenig Jahren bin ich so verkommen,

daß ich mich kaum erkenne so verschwommen
und dem gewohnten Leben ganz entwendet.
Ich wäre froh zu wissen, wann es endet:
der Zeitpunkt ist doch wohl schon fast gekommen.

O glücklich jener Tag, da ich die Grüfte
der Erde lassen darf, da ich der Schwere
des schwachen sterblichen Gewands entwehe

und aus so dichtem Dunkel heimwärts kehre,
so hoch entfliegend in die schönen Lüfte,
daß ich den Herrn und meine Herrin sehe.

CCCL
Questo nostro caduco e fragil bene

Questo nostro caduco e fragil bene,
ch’è vento et ombra, et ha nome beltate,
non fu già mai se non in questa etate
tutto in un corpo; e ciò fu per mie pene.

Ché natura non vòl, né si convene,
per far ricco un, por li altri in povertate:
or versò in una ogni sua largitate;
perdonimi qual è bella, o si tène.

Non fu simil bellezza antica o nova,
né sarà, credo; ma fu sí coverta,
ch’a pena se n’accorse il mondo errante.

Tosto disparve; onde ’l cangiar mi giova
la poca vista a me dal ciel offerta
sol per piacer a le sue luci sante.


Dies unser Gut, das so zerbrechlich feine
– Wind ist’s und Schatten – “Schönheit” heißt die Habe –,
ward keiner Zeit als unsrer so zur Gabe
in einem Leib – und das, damit ich weine.

Nicht gönnt ja die Natur, auf daß der eine
verwöhnt sei, andern nur die leere Wabe;
doch ihr ergoß sie ihre ganze Labe –
verzeih mir, welche schön sei oder scheine!

Nie war dergleichen Schönheit je und heute,
noch wird sie sein; doch fiel sie dem Getümmel
der Welt nicht auf und die Verirrten allen.

Bald ging sie hin – weshalb der Tausch mich freute
des kurzen Blicks, mir zubestimmt vom Himmel,
nur, um den heiligen Lichtern zu gefallen.

© by Claus-Christian Schuster