Armin Schibler
* 20. September 1920
† 07. September 1986
Die Hochzeit. Kantate nach einem Prosaabschnitt aus „Uli der Knecht“ von Jeremias Gotthelf für Alt oder Baß, Violine, Cello und Klavier. Op.15
| Komponiert: | London, Februar – Juni 1946 | 
| Widmung: | Tatjana Berger(-Schibler) | 
| Uraufführung: | nicht dokumentiert | 
| Erstausgabe: | nicht veröffentlicht | 
Als Willy Burkhard im Herbst 1942 seine Lehrstelle am Zürcher 
Konservatorium antrat, war unter seinen ersten Schülern auch der junge 
Armin Schibler, der erst kurz davor die Kontrapunktklasse von Paul 
Müller-Zürich (1898-1993) brillant abgeschlossen hatte. 
Schibler, der Sohn eines an der schweizerisch-deutschen Bodenseegrenze 
diensthabenden Zollbeamten, hatte schon während seiner Aarauer 
Gymnasialjahre (1936-40) als Komponist debutiert: Unter Aufopferung all 
seiner Ersparnisse hatte er dort eine 1938 enstandene Sonate für Violine
 und Klavier drucken lassen, die sogar von einem Leipziger Verlag in 
Kommission übernommen worden war. Nach einigem Schwanken – auch ein 
Chemiestudium und die Journalistenlaufbahn hatte er in Erwägung gezogen –
 war er 1940 in das Zürcher Konservatorium eingetreten, das er 1945 als 
Schüler Willy Burkhards absolvieren sollte. Schon vor Beendigung seines 
Studiums ergriff Schibler aber jenen Brotberuf, dem er bis an sein 
Lebensende treu bleiben sollte: er wirkte als Musiklehrer an einem 
Gymnasium in Zürich. 
Kurz nach Beendigung seiner Studien trat Schibler im Oktober 1945 in der
 Zürcher Peterskirche mit der Uraufführung zweier großformatiger 
Kompositionen (Wessobrunner Kantate, op.10, und Erstes Streichquartett, 
op.14) ein erstes Mal vor eine breitere Öffentlichkeit. Anfang 1946 trat
 der junge Komponist dann einen fünfmonatigen Studienaufenthalt in 
London an, wo er mit Benjamin Britten, Edmund Rubbra und Michael Tippett
 zusammentraf. 
Schibler hatte wohl auch der Uraufführung von Burkhards Gotthelf-Kantate
 beigewohnt, bei der sein Klavierlehrer Walter Frey den Klavierpart 
übernommen hatte. Offenbar hatten die skeptischen und kritischen 
Reaktionen, denen dieses Werk begegnet war, ihren Eindruck auf ihn ganz 
verfehlt, denn als er sich nun, nach Abschluß seiner Ausbildung, 
anschickte, seine Studienkollegin Tatjana Berger, eine Geigerin, die er 
übrigens im Jahr der Burkhardschen Uraufführung kennengelernt hatte, zu 
heiraten, beschloß er, für sie als Morgengabe ein Pendant zu Burkhards 
Sonntag zu schreiben. Ganz den Spuren seines Lehrers folgend, blieb er 
bei Gotthelfs Uli der Knecht  – und was lag näher, als für diesen Anlaß 
die im Zentrum des letzten Kapitels stehende Hochzeitsepisode zu wählen?
 
In den wenigen Jahren, die seit dem Experiment Burkhards verflossen 
waren, hatten auch andere Komponisten ähnliche Versuche unternommen – 
erst 1945 hatte Giorgio Federico Ghedini (1892-1965) in seinem 
originellen Concerto dell´Albatro (für Klaviertrio, Orchester und 
Rezitator) eine Passage aus Hermann Melvilles Moby Dick vertont. Die 
einem solchen Unterfangen innewohnenden Schwierigkeiten waren dadurch 
aber kaum geringer geworden. Schiblers Eingriffe in die literarische 
Vorlage beschränken sich auf Auslassungen, sind aber – entsprechend dem 
weniger lyrischen Charakter der Stelle – wesentlich einschneidender. 
Anders als Burkhard verzichtet Schibler auf die Gliederung des Textes in
 autonome Sätze; das entspricht auch der im Vergleich zum Werk des 
Lehrers merklich geschwächten Position des tonalen Zentrums – das Ende 
der Kantate auf E scheint eine ganz bewußte Reverenz an das Burkhardsche
 Vorbild zu sein. Die Strukturierung der Textvorlage wird durch 
ausgedehnte instrumentale Zwischenspiele erzielt, die den Erzählfluß in 
vier dramatische „Szenen“ oder „Bilder“ gliedern. 
Jeremias Gotthelf:
Wie Uli der Knecht glücklich wird
26. Kapitel: Wie Vreneli und Uli auf hochzeitlichen Wegen gehen und endlich Hochzeit halten
[…] Uli faßte sein Vreneli bei der Hand und wanderte mit ihm der 
Kirche zu; feierlich tönten die feierlichen Klänge im Herzen wieder, 
denn der Siegrist läutete ordentlich die Glocken, daß sie an beiden 
Orten anschlugen, und nicht wie wenn sie lahm wären, nur bald an diesem,
 bald an jenem Orte. 
Wie sie auf den Kirchhof kamen, schaufelte eben der Totenmann an einem 
Grabe, und stille wars um ihn: [kein Schaf, keine Ziege kam und 
verrichtete ihre Notdurft in des Menschen letzte Ruhestätte, denn da war
 der Kirchhof kein Weideplatz für ungeistliche Tiere.] Es ergriff 
Vreneli [plötzlich] eine unwiderstehliche Wehmut. Der [ehrwürdige] 
Anblick der Gräber, das Schaufeln eines Grabes weckten düstere Gedanken.
 „Das bedeutet nichts Gutes,“ [flüsterte es,] „einem von uns schaufelt 
man sein Grab.“ [Vor der Kirche stunden Gevatterleute, eine Gotte mit 
einem Kinde auf dem Arme. „Das bedeutet einem von uns eine Kindbett“, 
flüsterte Uli, um Vreneli zu trösten. „Ja, daß ich in einer solchen 
sterbe,“ antwortete es, „daß ich aus meinem Glück weg muß ins kalte 
Grab.“] „Denk doch,“ sagte Uli, „daß der liebe Gott ja alles macht und 
daß wir nicht abergläubisch, sondern gläubig sein sollen. Daß einmal 
unser Grab geschaufelt werden wird, ist gewiß, aber daß das Grabgraben 
Sterben bedeute denen, die dazukommen, habe ich noch nie gehört. [Denke 
doch, wie Viele ein Grab graben sehen; wenn es die alle nachzöge, denk 
auch, wie groß der Sterbet sein müßte.“ „Ach, verzeih mir,“ sagte 
Vreneli, „aber je wichtiger ein Gang ist, um so ängstlicher wird die 
arme Seele und möchte gar zu gerne wissen, wie es zu Ende geht, und 
nimmt daher jede Bewegung als ein Zeichen auf, ein gutes oder ein böses;
 weißt du, was du von den Tauben sagtest, als wir ins Dorf fuhren?“ Da 
drückte Uli seiner Braut die Hand und sagte ihr: „Du hast recht;] laß du
 uns unser Vertrauen auf Gott stellen und nicht kummern. [Was er uns 
tun, nehmen oder geben wird, das ist wohl getan.]»
 
Sie traten in die Kirche, leise, zagend, teilten sich zur Linken und zur
 Rechten, [sahen ein Kindlein aufnehmen in den Bund des Herrn, dachten, 
wie schön es doch sei, so ein zart und hinfällig Kind der besondern 
Obhut seines Heilands mit Leib und Seele anempfehlen zu dürfen, und wie 
eine große Last es von der Eltern Brust wälzen müsse, wenn sie in der 
Taufe das Bewußtsein erhielten, der Herr wolle mit ihnen sein und mit 
seinem Geiste sie das Kind nähren lassen, wie die Mutter es sättige mit 
ihrer Milch. Sie] beteten [recht] andächtig mit [und dachten, wie 
ernsthaft sie es nehmen wollten, wenn sie als Taufzeugen es geloben 
müßten, darauf zu achten, daß das Kind dem Herrn zugeführt werde. Das 
gewöhnliche Wochengebet verhallte ihnen] in der Wichtigkeit des ernsten 
Augenblicks, der näher und näher kam. Als der Pfarrer hinter dem 
Taufsteine hervortrat, als Uli Vreneli geholt hatte und Beide ans 
Bänkchen traten, sanken Beide auf die Knie, [der Zeremonie weit 
vorgreifend,] hielten die Hände inbrünstig verschlungen, und von ganzer 
Seele, ganzem Gemüte und allen Kräften [beteten und] gelobten sie, was 
die Worte sie hießen[, ja noch viel mehr, was aus treuen Herzen 
sprudelte]. 
Und als sie aufstunden, fühlten sie sich so recht fest und wohlgemut; es
 war einem jeden, als hätte es einen großen Schatz gewonnen fürs ganze 
Leben, der ihns glücklich machen müsse, den ihm niemand entreißen, 
niemand abgewinnen könne, mit dem es vereint bleibe[n müsse] in alle 
Ewigkeit. 
© by Claus-Christian Schuster